Mastodon vs. Threads vs. Bluesky

Was geht ab?

Bis vor etwa zwei Jahren hat Twitter das Mikroblogging dominiert. Es gab zwar Alternativen, diese waren jedoch eher unbedeutend und im Mainstream kannte man nur Twitter. Heute sieht die Mikroblogging-Welt drastisch anders aus: Aus Twitter wurde X und es hat massiv an Nutzern und Einfluss verloren. Vorhandene Alternativen wie zum Beispiel Mastodon bekamen viel Aufwind und sind mittlerweile sehr beliebt und weit bekannt geworden. Dazu gesellten sich neue Dienste wie Bluesky und Threads.

Während sowohl Mastodon als auch Threads auf dem vom W3C standisierten ActivityPub-Protokoll aufbauen, setzt Bluesky auf das selbst kreierte AT-Protokoll. Technisch gesehen ist es somit ein Leichtes, Nachrichten zwischen Mastodon und Threads in beiden Richtungen auszutauschen. Damit könnten Mastodon-Nutzende mit Threads-Nutzenden interagieren. Da Bluesky ein anderes Protkoll spricht, wäre für eine Interaktion zwischen Mastodon und Bluesky ein “technischer Übersetzer” nötig, eine so genannte Bridge. Letztere wurde vor kurzem von Ryan Barrett angekündigt, was eine rege Diskussion auf Mastodon losgetreten hat.

Aus Meinung wird Kampf

Seit der Ankündigung von Ryan wird auf Mastodon sehr rege diskutiert, ob eine Interaktion mit Threads und/oder Bluesky gewünscht ist oder nicht. Viele der Kommentare dazu stimmen mich traurig. Mastodon hat sich auf die Fahnen geschrieben, ein interoperables Netzwerk basierend auf offenen Protokollen zu sein, um mit jeder anderen Plattform (die ActivityPub implementiert) zu kommunizieren (siehe joinmastodon.org).

Mastodon ist ein dezentrales Netzwerk, bestehend aus tausenden von unabhängigen Servern, auch “Instanzen” genannt. Jeder Betreiber einer solchen Instanz kann entscheiden, Nachrichten von und zu anderen Instanzen zu blockieren. Bisher wurde das hauptsächlich dazu genutzt, das Verbreiten unerwünschter Werbung (Spam) oder auch rechtlich fragwürdiger Inhalte wie Aufrufen zur Gewalt oder ähnliches einzudämmen.

Viele Kommentare in der laufenden Diskussion drehen sich nun darum, den Nachrichtenaustausch mit Threads und/oder Bluesky zu blockieren, weil es sich um kommerziell agierende globale Unternehmen handelt oder der Eigentümer gelinde ausgedrückt “nicht sympathisch” ist. Klar gibt es auch durchaus begründete Bedenken, von diesen Netzwerken Nachrichten zu erhalten, die übermässig viel Werbung oder extremes und gewaltförderndes Gedankengut enhalten. Jedoch wissen wir auch noch nicht, wie diese neuen Netzwerke selbst damit umgehen werden.

Schaffen Threads und Bluesky das Kunststück einer guten Moderation? Wir wissen das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Dennoch äussern sich erstaunlich viele Mastodon-Nutzer für eine proaktive Sperre von Threads und Bluesky. Wenn nun jemand mit einer anderen Meinung an der Diskussion teilnimmt, führt das nicht selten zu persönlichen Vorwürfen und Anfeindungen. Das finde ich für ein Netzwerk, welches auf Offenheit basiert, sehr schade und toxisch.

Meine Position

Ein Netzwerk, welches sich von anderen abschottet, hat in meinen Augen keine Zukunft. Ich bin Mastodon-Nutzer, weil es ein offenes, freies Netzwerk ist und ich mit einem einzigen Social Media Account allen Nutzenden aller Diensten folgenden kann, die ebenfalls das ActivityPub-Protokoll einsetzen. Um nur einige zu nennen sind das neben Mastodon auch Friendica, Pleroma, Misskey, PeerTube, Funkwhale, castopod, WriteFreely, BookWyrm, Pixelfed, Lemmy, Hubzilla, Gancio, MediaGoblin, Mobilizon, sogar WordPress und noch viele mehr!

Mit allen Nutzenden all dieser Dienste kann ich mit meinem einen Mastodon-Account interagieren. Ich kann ihnen folgen und erhalte so neue Nachrichten, Kommentare, Fotos, Videos, Event-Infos und vieles mehr. Ich brauche nicht dutzende eigene Accounts. Die Zusammenarbeit dieser Dienste funktioniert dank des offenen ActivityPub-Protokolls einwandfrei. Wenn nun noch Threads und Bluesky dazu kommen, sehe ich das in erster Linie als Bereicherung für einen offenen und einfachen Datenaustausch. Und ich möchte offen und einfach Daten austauschen – so lange, bis jemand als Person so dermassen quer schiesst, dass ich selbst entscheide diese Person zu blocken. Wenn sich dann der Betreiber einer Instanz oder eines Dienstes als unfähig heraus stellt und von dieser Instanz bzw. Dienst übermässig viel gewaltverherrlichende Nachrichten oder extremes Gedankengut kommt, dann bin ich der letzte der sich gegen eine Sperrung aussprechen wird.

Aber Dienste oder Betreiber pauschal aussperren? Das finde ich nicht fair. Threads gehört zum Meta-Konzern (wie Facebook, Instagram, WhatsApp). Der Meta-Konzern hat in der Vergangenheit durchaus viel falsch gemacht. Vielleicht macht er auch mit Threads wieder viel falsch. Aber eben nur vielleicht. Daher spreche ich mich gegen eine Vorverurteilung aus. Auch wenn ich selbst skeptisch bin. Dennoch vergebe ich eine Chance. Eine Chance auf Netzwerkübergreifende Interaktion. Ganz im Sinne der Nutzer. Denn die gehen in dieser Diskussion leider oft vergessen. Denn ich möchte auch mit Nutzern von Threads und Bluesky interagieren. Nur weil die sich für die Nutzung der Dienste ausgesprochen habe, werde ich mich nicht einer Kommunikation verweigern. Und ich möchte dafür nicht separate Konten und Profile erstellen und pflegen müssen, so etwas ist nicht im Sinne der Nutzer.

Weshalb sind E-Mails heute immer noch so erfolgreich? Ganz einfach: Ich kann nahezu jeder Person auf diesem Planeten eine E-Mail schicken. Mein E-Mail-Provider blockiert nicht den Datenaustausch mit Google Mail, weil Google ein global agierendes Unternehmen und bekannt für Datenschnüffelei ist. Ich kann Nutzern von Google Mail eine Mail schicken und auch Mails von ihnen empfangen. Ich kann selbst entscheiden, ob ich das möchte oder nicht. Mein E-Mail-Provider greift nur mit Blockaden ein, wenn das zum Schutze der eigenen Infrastruktur (z.B. bei DoS-Attacken) oder zum Schutze der eigenen Nutzer (z.B. Stillegen von Spam-Schleudern) nötig ist.

Für Mastodon ist die Offenheit eine Chance. Wenn Mastodon sich dieser Chance verschliesst, verschliesst es sich meiner Meinung nach einer rosigen Zukunft. Denn seien wir doch ehrlich mit uns selbst: Wenn Netzwerke daran gehindert werden zu interagieren, wo gehen die Nutzenden hin? Dorthin, wo alle anderen sind. Denn was nützt mir das “tollste Netzwerk der Welt”, wenn ich mich darin nur mit mir selbst unterhalten kann? Bestes Beispiel ist die Messenger-Vielfalt. 90% meiner Chats laufen über WhatsApp. Nicht, weil das so ein toller vertrauenswürdiger Dienst ist. Sondern weil sich dort meine ganzen Kommunikationspartner befinden. Telegram, Signal, Threema? Es ist Wochen her, dass ich darüber eine Nachricht erhalten oder versendet habe. Einzig Matrix ist mit 10% meiner Chats noch erwähnenswert, wenn auch weit abgeschlagen, sowie Slack für den Austausch innerhalb des Vorstands der Java User Group Switzerland, also einem in sich geschlossenen Nutzerkreis.

Die Frage für die Zukunft lautet: Wird Mastodon das Mikroblogging dominieren wie WhatsApp die Kurznachrichten oder eher wie Threema irgendwo unter “ferner liefen” genannt werden? Ich hoffe auf Ersteres aber meine Bedenken gehen eher in Richtung Letzteres. Das wäre extrem Schade.

Und was ist mit X?

Bei X, früher Twitter, verhält es sich mit meiner Meinung etwas anders. Das Netzwerk hat sich nach der Übernahme durch Elon Musk stark radikalisiert. Das Netzwerk hat in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren bewiesen, ein Hort für vor allem rechtsradikale und gewaltverherrlichende Personen zu sein. Eine sinnvolle Diskussion ist dort in meinen Augen nicht mehr möglich. Das ist auch der Grund, weshalb ich X nicht mehr nutze und zu Mastodon gewechselt bin.

Einer Bridge zu X, um einen bidirektionalen Datenaustausch zu ermöglichen, würde ich mich daher vehement entgegen stellen. X hat den Beweis erbracht, nicht vertrauenswürdig zu sein. Bei Threads und Bluesky steht dies noch aus.

Letzte Worte

Eine möchte ich zum Schluss meines doch wieder langen Artikels allen Akteuren im Bereich Social Media vor Augen führen: Wer Nachrichten, Bilder, etc. im Internet veröffentlicht, veröffentlicht diese im Internet. Das ist vielen anscheinend nicht bekannt. Viele wissen nicht, was öffentlich bedeutet. Diese kleine Weltkugel beim Erfassen von Nachrichten in Mastodon bedeutet, dass die ganze Welt diese Nachricht lesen kann. Auch Google. Auch Facebook. Kurz: Alle. Wie kann sich jemand nur darüber aufregen, dass die selbst veröffentlichten Nachrichten von Nutzern anderer Dienste gesehen werden könnten? Wer das nicht möchte, sollte überdenken, seine Nachrichten in die Weltgeschichte zu posaunen. Bei so mancher Person oder Nachricht wäre das auch besser…

jm2c
Marcus